Religionen in Indien

Indien ist ein Land mit einer bemerkenswerten religiösen Vielfalt, in dem alle grossen Weltreligionen vertreten sind. Die religiöse Landschaft Indiens umfasst neben Hinduismus und Buddhismus auch Jainismus, Sikhismus, Christentum, Islam, Judentum, Zoroastrismus und indigene Religionen.[FN1 Melton, J. G. & Baumann, M. (2010). Religions of the world: a comprehensive encyclopedia of beliefs and practices (2nd ed.). ABC-CLIO.] Die Praxis der Religionen spielt eine wichtige Rolle im täglichen Leben der Menschen und trägt zur Entwicklung von Normen und ethischen Prinzipien bei, die sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich von Bedeutung sind.[FN2 Madan, N., & Melko, M. (1994). Religion in India. Review of Religious Research, 35, 377. / Kapur, R. (2023). Understanding the Religions of India. Indian Journal of Social Science and Literature, 2(1), 44-49.] Die verschiedenen religiösen Bewegungen nahmen im Laufe der Jahrzehnte zunehmend aktiv an der politischen Arena des 1949 gegründeten Indiens teil.[FN3 Van der Veer, P. (2001). India, Religions of. International Encyclopedia of the Social & Behavioral Sciences, 7279–7282.] Seit dem Aufkeimen des Hindu-Nationalismus in den 1980er Jahren kam es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen mit muslimischen und christlichen Religionsgemeinschaften.

Hinduismus

Der Hinduismus ist die älteste kontinuierlich praktizierte Religion der Welt. Er zeichnet sich durch eine Vielzahl von Göttern und Göttinnen, heiligen Schriften (wie die Veden und Upanishaden), philosophischen Schulen und Ritualen aus. Der Hinduismus hat keinen Gründer, sondern entwickelte sich über Jahrtausende durch kulturelle und religiöse Praktiken. Die Konzepte von Dharma (Pflicht), Karma (Handlung und deren Folgen) und Moksha (Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod) sind zentral.

Islam

Der Islam ist die zweitgrösste Religion in Indien und kam im 7. Jahrhundert über Handelsrouten und später durch Eroberungen nach Indien. Sunniten und Schiiten sind die Hauptströmungen innerhalb des indischen Islams. Die Religion hat tiefgreifende kulturelle und historische Einflüsse in Indien hinterlassen, insbesondere während der Mogulzeit (16. – 19. Jhd.), als islamische Herrscher einen Grossteil des Subkontinents bis zur Britischen Herrschaft regierten. So ist beispielsweise das indische Wahrzeichen Taj Mahal ein muslimisches Grabgebäude, welches der Grossmogul Shah Jahan in Gedenken an seine Frau erbauen liess.

Christentum

Es wird angenommen, dass das Christentum als drittgrösste Religion Indiens durch den Apostel Thomas im 1. Jahrhundert n. Chr. nach Indien kam. Die christliche Bevölkerung ist in verschiedene Konfessionen unterteilt, darunter Katholik*innen, Protestant*innen und orthodoxe Christ*innen. In einigen Bundesstaaten, wie Goa und Kerala, spielt das Christentum eine besonders bedeutende Rolle. Die breite christliche Missionierung begann sich ab dem 15. Jahrhundert mit den portugiesischen Seefahrern zu entwickeln, die sowohl auf Handels- als auch Glaubensmission waren.

Westlich-christliche Institutionen spielten bei der Adoptionsvermittlung indischer Kinder an ausländische Ehepaare eine bedeutsame Rolle (Siehe auch: Mission Adoption und Missionarinnen der Nächstenliebe).

Sikhismus

Der Sikhismus, der im 15. Jahrhundert im Punjab gegründet wurde, ist eine monotheistische Religion, die von Guru Nanak und seinen neun Nachfolgern geprägt wurde. Der Glaube betont die Gleichheit aller Menschen, die Ablehnung des Kastensystems und die Bedeutung des Dienstes an der Gemeinschaft. In Indien stammen die meisten Sikhs aus dem nordindischen Bundesstaat Punjab.

Buddhismus

Der Buddhismus entstand in Indien im 6. Jahrhundert v. Chr. durch die Lehren von Siddhartha Gautama (Buddha). Der Buddhismus hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die indische Philosophie, Kunst und Kultur. Während der Buddhismus im Mittelalter aus Indien verschwand, erlebte er in den 1950er Jahren eine Wiederbelebung durch die Konversion vieler Menschen, die der unterprivilegierten Dalit-Kaste der Mahars in Maharashtra angehörten. Sie folgten dabei dem politischen Führer und Sozialreformer Dr. B.R. Ambedkar.[FN4 Srinivas, M. (1986). Foreword: Religions in India in a sociological perspective. Social Compass, 33, 159 – 162.]

Jainismus

Der Jainismus, der ebenfalls um das 6. Jahrhundert v. Chr. entstand, ist eine weitere alte Religion Indiens. Die Lehren der Jains sind geprägt von den Grundsätzen Ahimsa (Gewaltlosigkeit) und religiöser Askese. Bekannt ist der Jainismus für das Ideal der Nichtverletzung von Lebewesen. Die Ernährung orientiert sich am Prinzip, dass keine Tiere dafür leiden oder sterben müssen und Pflanzen nur im unvermeidlichen Mass geschädigt werden. Jainistische Mönche und Nonnen führen ein ausgeprägt asketisches Leben, um die Befreiung der Seele zu erreichen.

Weitere Religionen

Indien beheimatet auch kleinere religiöse Gemeinschaften wie Zoroastrier*innen (Parsis), Jüdinnen und Juden, und Bahá'í. Darüber hinaus leben auch Menschen von zahlreichen indigenen Religionen in Indien.

Quellen / Literatur