Das Projekt

Der Anfang

Das Forschungsprojekt zu internationalen Adoptionen war an der Universität St. Gallen und an der Berner Fachhochschule angegliedert. Das Forschungsteam untersuchte die Adoptionen von Kindern aus Indien in den Kantonen Zürich und Thurgau. Der Anfangspunkt des Untersuchungszeitraums wurde mit 1973 angesetzt, da damals in der Schweiz zum ersten Mal ein Gesetz zur Adoptionsvermittlung in Kraft trat.[FN1 Verordnung über die Adoptionsvermittlung vom 28.3.1973.] Der Endpunkt liegt bei 2002, weil zeitgleich mit der Ratifikation des Haager Adoptionsübereinkommens im Jahr 2003 die Aufsicht über die Adoptionsvermittlung an den Bund überging.

Angesichts dessen, dass Indien im Untersuchungszeitraum bei internationalen Adoptionen für die Schweiz das wichtigste Herkunftsland war, richtete sich der Fokus des Projekts auf diesen südasiatischen Staat. Die Recherche in Indien konzentrierte sich auf den Bundesstaat Maharashtra und dort auf die Hauptstadt Mumbai (früher Bombay), da diese ein wichtiger Knotenpunkt der internationalen Adoptionsvermittlung war.

Das von den Kantonen Zürich und Thurgau initiierte und finanzierte Projekt folgte der Aufforderung des Bundesrats von 2020, dass jeder Schweizer Kanton eine umfassende Aufarbeitung durchführen soll, um ein vollständiges Bild des Systems der internationalen Adoption in der Schweiz zu erhalten.[FN2 Illegale Adoptionen von Kindern aus Sri Lanka: historische Aufarbeitung, Herkunftssuche, Perspektiven. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 17.4181 Ruiz Rebecca vom 14.12.2017, 11.12.2020, S. 20-21.]

Neben der historischen Aufarbeitung sollte das Projekt auch Hinweise für aktuelle und zukünftige Entwicklungen wie beispielsweise die Leihmutterschaft geben, um mit Reformen die internationale Zusammenarbeit so zu regeln, dass Versäumnisse und Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt werden. 

Recherche

Die Untersuchung zeigt, wie Kinder aus Indien zur Adoption in die Schweiz und insbesondere in die Kantone Zürich und Thurgau vermittelt wurden und welche Akteur*innen dabei in den beiden Ländern involviert waren. Die Studie legt dar, aus welchen indischen Institutionen die Kinder in die Schweiz vermittelt und in welchem sozialen Milieu sie von den angehenden Adoptiveltern in den beiden Kantonen aufgenommen wurden. Beleuchtet wird weiter, mit welchen Herausforderungen und Problemen die Adoptivfamilien konfrontiert waren.

Die Recherche folgte dem Weg des Kindes, angefangen bei den Umständen der Zeugung, Schwangerschaft, Geburt und Weggabe durch meist unverheiratete Mütter. Sie beleuchtet weiter die rechtlichen Grundlagen und die Rechtspraxis in der Schweiz und in Indien. 

Die Forscherinnen geben aufgrund ihrer Recherche differenziert Einblick in ein bisher kaum untersuchtes Kapitel der internationalen Adoption als Form der Fremdplatzierung. Sie rekonstruieren ein komplexes Geflecht, das vom unerfüllten Kinderwunsch von Paaren, finanziellen Interessen, fraglicher Rechtspraxis, mangelhaftem Kinderschutz und Behördenversagen geprägt war.

Methodik

Das Projekt greift auf historische und sozialwissenschaftliche Ansätze zurück. Es wurden umfangreiche Quellenstudien in den Staatsarchiven der Kantone Zürich, Thurgau, St. Gallen, Appenzell-Ausserrhoden und Bern, in den Stadtarchiven Zürich und Winterthur sowie im Schweizerischen Bundesarchiv und Schweizerischen Sozialarchiv geleistet. Dabei konnten erstmals zahlreiche Einzelfalldossiers von aus Indien adoptierten Kindern eingesehen werden. Die Archivarbeit wurde ergänzt durch biografisch-narrative Gespräche mit adoptierten Personen und Adoptiveltern, mit ethnografischen Recherchen in Indien und mit Interviews mit Expertinnen und Experten in beiden Ländern aus den Bereichen Recht, Medizin und Soziale Arbeit.

Ergebnisse

Die Ergebnisse des Forschungsprojekt sind in folgenden Publikationen zugänglich:

Das Buch

Andrea Abraham, Sabine Bitter, Rita Kesselring (Hg.): Mutter unbekannt. Adoptionen aus Indien in den Kantonen Zürich und Thurgau, 1973-2003. Zürich 2024. 320 S. (Chronos-Verlag). Gebunden und als open access e-book.

Das Buch erscheint in einer englischen Übersetzung im Chronos Verlag, voraussichtlich im Januar 2025, als open access e-book.

Website

www.adoptionsforschung.ch
Die Webseite wird in einer englischen Übersetzung voraussichtlich im Januar 2025 aufgeschaltet.

Zusammenfassung des Forschungsteams

vorgelegt an der Medienkonferenz 27.9.2024

Medienmitteilung der Kantone ZH und TG

Publiziert am 27.9.2024